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Automatisierung in der Praxis

Diese Tätigkeiten in der Unternehmenskommunikation lassen sich (schon heute) automatisieren

Automatisierung ist ein allgegenwärtiges Thema. Möglichkeiten, Auswirkungen, Ängste und damit verbundene Hoffnungen werden breit diskutiert. Doch wo steht Automatisierung in Bezug auf die Unternehmenskommunikation? Während im Marketing oder bei Backoffice-Abteilungen Automation durch Tools oder RPA immer stärker Einzug hält, ist im Bereich der Unternehmenskommunikation nicht wirklich eine solche Entwicklung sichtbar. Ich habe mich daher auf die Suche gemacht nach konkreten Ansätzen, Tools oder Vorgehensweisen zur Automatisierung von Tätigkeiten in der Unternehmenskommunikation. Meine Suche startet in der Fachliteratur…

Die Meinung von Fachautoren zum Thema Automatisierung

Das Thema Automatisierung in der Unternehmenskommunikation wurde bisher vor allem basierend auf Konzepten, Einschätzungen und einzelnen Cases thematisiert. Eine breite, wissenschaftliche Literatur, die sich fokussiert mit dem Thema Automatisierung in der Unternehmenskommunikation beschäftigt und Wirkungsmechanismen wissenschaftlich darlegt, ist auf Basis meiner Recherchen nicht vorhanden.

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Automatisierung kommt in der Literatur meist implizit vor, als Teil einer neuen Technologie oder etwa im Zusammenhang mit Big Data (Weiner et al., 2016). Hier bildet Automatisierung die Grundlage, um aus Datenströmen relevantes Wissen zu gewinnen. Automatisierung wird darüber hinaus auch im Zusammenhang mit KI erwähnt (Galloway et al., 2018). Hier ist Automatisierung nicht die Grundlage, sondern das Resultat von intelligenter Software, die es ermöglicht, selbständig und ohne menschliche Intervention Aufgaben zu lösen. Das Potential von Automatisierung wird in der Fachwelt kontrovers diskutiert.

Über Chancen, Risiken und Grenzen der Automatisierung wird intensiv diskutiert

Valin (2018) ist der Meinung, dass kritisches Denkvermögen am wenigsten von KI bedroht sein wird. Jedoch seien viele andere Tätigkeiten wie Recherchearbeiten, Texterstellung, Monitoring und weitere andere prozessgesteuerte Aufgaben bereits heute teilweise oder vollständig durch KI lösbar. Ristic (2017) macht in einem Artikel die klare Aussage: «Humans build trust with humans – not bots». Er stellt fest, dass KI nicht über die emotionale Intelligenz verfügt, die erfolgsentscheidend sei für die Unternehmenskommunikation. Anderer Meinung ist da Amos (2016), der festhält, dass die Automation von kreativen Prozessen bereits begonnen hat und das computerbasierte Kreativität zu den Bereichen gehört, die sehr starke Fortschritte erzielen. Er nennt etwa Beispiele, dass KI in der Lage ist, Musik zu komponieren, Gedichte zu schreiben oder Rezepte zu erfinden. Yaxley et al. (2018) betonen in ihrem Buch den Mehrwert von KI als Instrument, effizienter zu arbeiten:

«Where technologies (including software) can help to improve the efficiency and effectiveness of processes and procedures, these need to be researched.»

Alison Theaker & Heather Yaxley im Buch «The Public Relations Strategic Toolkit»

Lynch (2018) sieht die Entwicklung als Zusammenspiel, in dem künftig KI und die menschliche Intelligenz zum festen Bestandteil der PR-Arbeit werden. Barghop et al. (2017) sagen, dass die Kommunikation menschliche Faktoren stärker in den Vordergrund stellen sollte, um nicht gänzlich automatisiert zu werden. Sie folgern:

«Die Kommunikatoren selbst müssen den Turing-Test bestehen, wenn sie nicht als Algorithmus oder Socialbot enden wollen».

Egbert Deekeling & Dirk Barghop im Buch «Kommunikation in der digitalen Transformation»

Ob und wie sich die Branche letztlich auch verändert: Das Verständnis für Algorithmen und Datenanalysen gehört immer mehr zu den wichtigsten Kompetenzen von Kommunikationsleuten, noch vor dem Erstellen von Inhalten (Klewes et al., 2017). Das Chartered Institute of Public Relations (CIPR) kommt in seiner Untersuchung 2018 zum Schluss, dass KI in Bereichen wie Analytics sehr wichtig wird (Valin, 2018). Gleichzeitig hält es fest:

«[…] human intervention in editing, sensitivity, emotional intelligence, applying good judgement and ethics will always be needed».

Jean Valin im Diskussionspapier «Humans still needed: An analysis of Skills and Tools in Public relations.»

Auch die Studie des 2018 Global Comms Report stellt fest, dass bereits 54 Prozent der Kommunikationsprofis Analytics und Reporting zu den zweitwichtigsten Tätigkeiten wählen, hinter der Erstellung von Inhalten (Daniels, 2018).

Tätigkeiten und Prozesse, die sich automatisieren lassen

Wenn es um die Automatisierung von konkreten Tätigkeiten geht, stösst im Netz sehr rasch auf die Arbeiten und Untersuchungen des CIPR. 2017 und 2018 hat die Organisation das Crowdsourcing-Projekt «#AIinPR» durchgeführt. Dabei entstand eine Datenbank mit bis heute 134 Tools für die Unternehmenskommunikation, welche Aufgaben vereinfachen oder vollständig automatisieren und dabei auch KI einsetzen. Diese Sammlung zeigt, dass eine Vielzahl von Anwendungen existieren, die Prozesse und Aufgaben mit und ohne Unterstützung von KI automatisieren können.

Mit den richtigen Instrumenten lassen sich bereits heute viele Aufgaben und Tätigkeiten der Unternehmenskommunikation automatisieren. Nachfolgend fasse ich einige Themengebiete und Tätigkeiten zusammen, die sich heute bereits mittels spezifischer Tools oder RPA automatisieren lassen. Natürlich ist die Zusammenfassung nicht abschliessend. Sie soll aber zeigen, wie Automatisierung eingesetzt und welche Auswirkungen sie auf die Kommunikation haben kann.

Automatisierung in der Situationsanalyse

Automatisierung ist überall dort sinnvoll und möglich, wo mit Daten gearbeitet wird. Daher ist es auch keine Überraschung, dass gerade in der Situationsanalyse durch den Einsatz von Big Data und künstlicher Intelligenz viel Potential zur Automatisierung gibt. Automatisierung hat hier nicht primär die Funktion von Vereinfachung oder Effizienzsteigerung, sondern sie dient dazu, neue Erkenntnisse zu gewinnen und so die Kommunikation zu verbessern.

Mit Big Data Analytics und KI können neue Insights und Zusammenhänge gewonnen werden: über die eigene Marke (Sympathie, Bekanntheit, relevante Themen, Benchmarking), gesellschaftliche Trends (Kulturelle Veränderungen oder ethische Prinzipien, Werthaltungen) oder die Zielgruppen (Medienkonsum, Werte, Bedürfnisse, Einstellungen, Sympathien). Solche Lagebilder sind heute mit gängigen Tools wie beispielsweise Brandwatch, Fanpage Karme oder Meltwater ganz oder teilweise erfassbar. Viele Tools sind auch in der Lage, Echtzeit-Analysen durchzuführen. Sich anbahnende Krisen werden von den Tools erkannt und Kommunikatoren werden automatisch benachrichtigt. Anderseits wird auch «gewarnt» wenn relevante Diskussionen stattfinden, bei denen sich PR-Profis einschalten können und so kommunikativ etwas für die Reputation des Unternehmens getan werden kann.

Automatisierung hilft also dabei, Chancen und Risiken frühzeitig zu erkennen und aktuelle Lagebilder zu erstellen. Mit diesem Instrumentarium erhalten PR-Profis viele Möglichkeiten, ihr Handeln zu analysieren und Entscheidungen auf eine fundierte Datenbasis abzustützen. Im Entscheidungs-Prozess wird Erfahrung, Bauchgefühl und Intuition von PR-Profis durch eine Daten-Perspektive ergänzt. Das kann die Kommunikation effizienter und wirkungsvoller machen und zudem das interne «Standing» der PR festigen, indem verstärkt mit Daten argumentiert werden kann.

Weiter fortgeschritten und weit anspruchsvoller ist der Einsatz von Machine Learning. Mit Hilfe von Machine Learning können Vorhersagen über mögliche Verhaltensweisen getroffen werden. Beispielsweise, wie Zielgruppen reagieren, wenn sie mit einem bestimmten Thema zu einem bestimmten Zeitpunkt angesprochen werden. Oder welche Interaktionen ein bestimmter Post auf Social-Media-Kanälen auslösen kann. Solche Anwendungen sind meines Wissens im deutschsprachigen Raum noch kaum im Einsatz.

Automatisierung im Strategieprozess

Durch Big Data Analytics und KI können Themen-, Stakeholder- und Kanal-Analysen durchgeführt werden. Diese zeigen beispielswiese, welche Themen auf welchen Plattformen besprochen werden und wer dabei als Opinion Leader auftritt. Basierend auf diesen Erkenntnissen können Themen, Kanäle und Massnahmen definiert werden, welche die Relevanz der Kommunikationsaktivitäten und -Botschaften erhöhen. Wer also in der Situationsanalyse viele Daten auswertet und daraus neue Erkenntnisse gewinnt, schafft sich so eine ideale Basis für die Entwicklung einer griffigen Kommunikationsstrategie.

Automatisierung in der Umsetzung

Durch Tools, die KI-basierte Technologien wie NLG verwenden, wird es möglich, Texte automatisiert zu erstellen. Noch ist diese Technologie vor allem für sehr datenbasierte Texte sinnvoll, beispielsweise in der Finanzindustrie für automatisierte Finanzreports. Mit der Entwicklung der Technologie werden nach Einschätzung von Experten jedoch bald auch komplexere Texte möglich. Konventionell oder auch automatisiert erstellte Inhalte können durch Tools wie Hootsuite heute teil- oder vollautomatisiert publiziert werden.

Das automatisierte Publishing ist etabliert und kann Kommunikationsabteilungen Zeit einsparen. KI-Lösungen ermöglichen es zudem, dass Menschen auf einem hohen inhaltlichen Niveau mit Chatbots interagieren können. Ein Teil der Stakeholder-Kommunikation kann so automatisiert werden. Durch intelligente Chatbots können Unternehmen viel intensiver und häufiger mit Stakeholdern ins Gespräch kommen und sie so enger an die Marke binden. Gerade für Unternehmen im B2C Bereich mit hoher Kundenanzahl und standardisierten Prozessen bieten Chatbots hohes Potential. In der Schweiz unter anderem in der Bankenbranche, wie in diesem Artikel beschrieben wird.

Solche intelligenten Chatbots bedeuten einen langfristiges Engagement und Aufbauarbeit. Bisher gibt es heute noch sehr wenige intelligente Chatbots, zu überzeugen können. «Warum sind Chatbots eigentlich so dumm?» fragt Jann Tissler in seinem Artikel und fasst die aktuelle Situation und das Potential von Chatbots sehr gut zusammen.

Automatisierung in der Evaluation

Big-Data-Lösungen können die Erfolgsmessung der Kommunikationsaktivitäten deutlich verbessern, indem die Reichweite von Posts sowie die Reaktionen der Nutzer in unterschiedlichsten Dimensionen ausgewertet werden (Sympathie, Einstellung, Empfehlungen usw.). Durch die Analyse des Share of Voice kann darüber hinaus ausgewertet werden, ob und wie sich die Einstellung zur Marke oder zum Produkt verändert. Automatisierung zur Evaluation wird häufig mit den gleichen Tools bewerkstelligt, die zu Situationsanalyse eingesetzt werden. Diese erlauben heute eine Echtzeit-Analyse und können präzise ermitteln, welche Wirkung die Kommunikationsmassnahmen erzielt haben.

Automatisierung in der Organisation und Administration

Durch automatisierte Arbeitsprozesse wie beispielsweise die automatisierte Aktualisierung von Medienlisten oder die automatisierte Recherche und Zusammenstellung von relevanten Medienbeiträgen können Kommunikationsabteilungen effizienter arbeiten. «Today the use of technology has the potential to simplify and streamline many aspects of the PR workflows», sagen etwa Yaxley et al. (2018, p. 130). Dies macht Ressourcen frei für Aufgaben, die den Menschen auszeichnen, beispielsweise für Aufgaben, die Kreativität und Fantasie erfordern (Yaxley et al., 2018), oder um das persönliche Netzwerk innerhalb oder ausserhalb des Unternehmens zu stärken (Aspland, 2017).

Automatisieren, aber wie? Hier eine Übersicht an Tools, die zur Automatisierung von Tätigkeiten in der Unternehmenskommunikation eingesetzt werden können.


PR-Profis setzen Automatisierung zurückhaltend ein

Obwohl die oben genannten Möglichkeiten in der Praxis bereits angewendet werden, ist die Verbreitung noch sehr gering, das legen diverse Studien nahe. Die Untersuchung des Communication Monitor 2016 stellt fest, dass die Kommunikationsleute die Bedeutung für automatisierte Kommunikation als hoch einschätzen (Wiesenberg et al., 2017), dass jedoch nur eine klare Minderheit solche Möglichkeiten in der Praxis nutzt. Nur 14.4 Prozent der Organisationen setzen Tools als Entscheidungshilfe ein (z. B. das automatisierte Monitoring für Krisenwarnungen) (Wiesenberg et al., 2017). Kaum genutzt werden Tools für die Content-Kreation, beispielsweise für Online-Kanäle oder für automatisch generierte Medienmitteilungen. Einen interessanten Einblick in die Praxis gibt auch der European Communication Monitor 2017 zur Thematik der Social Bots.

Obwohl Social Bots im Bereich der Kommunikation bereits hohe Wellen geworfen haben (z. B. bei den Präsidentschaftswahlen von Barack Obama bis Donald Trump), gaben nur 6.2 Prozent der Unternehmen an, Social Bots einzusetzen (Zerfass et al., 2017). In einer Schweizer Studie der ZHAW geben die meisten Kommunikationsabteilungen an, dass sie «mittendrin» sind in der digitalen Transformation ihrer Kommunikationsabteilung, dass aber noch «viel Luft nach oben bleibt» (Niederhäuser et al., 2018). 19 Prozent der Befragten gaben an, dass ihre Abteilung Tools zur automatisierten Content-Distribution nutzen. 16 Prozent setzen Social Bots oder Chatbots ein – das sind im Vergleich zur Studie des Europäischen Communication Monitor 2017 (Zerfass et al., 2017) rund 10 Prozent mehr. 6 Prozent der Befragten setzen Instrumente zur Prozessautomatisierung ein, erst rund 3 Prozent setzen KI ein (Niederhäuser et al., 2018). «In der Online-Befragung zeigt sich, dass die hiesigen Kommunikationsabteilungen noch vergleichsweise wenig auf Automatisierung setzen», stellen die Autoren Niederhäuser und Rosenberger (2018) fest.


Weitere Quellen

  • Aspland, W. (2017). The robots are coming! AI, automation and the future of Corporate Communications. Abgerufen von https://de.slideshare.net/wayneiac/the-robots-are-coming-ai-automation-and-the-future-of-corporate-communications
  • Barghop, D. & Deekeling, E. (2017). Kommunikation in der digitalen Transformation. Wiesbaden: Springer Gabler. 
  • Daniels, C. (2018). 2018 Global Comms Report: Challengees and Trends. Chicago: CISION, PRWeek.
  • Galloway, C. & Swiatek, L. (2018). Public relations and artificial intelligence: It’s not (just) about robots. Public Relations Review44(5), S. 734–740.
  • Klewes, J., Popp, D. & Rost-Hein, M. (2017). Out-thinking Organizational Communications. The Impact of Digital Transformation. Cham: Springer International Publishing
  • Niederhäuser, M. & Rosenberger, N. (2018). Kommunikation in der digitalen Transformation. Working papers in Applied Linguistics 15. Winterthur: ZHAW, Departement Angewandte Linguistik
  • Valin, J. (2018). Humans still needed: An analysis of skills and tools in public relations. Diskussionspapier. London: CIPR. Abgerufen von: https://www.cipr.co.uk/sites/default/files/11497_CIPR_AIinPR_A4_v7.pdf
  • Yaxley, H. & Theaker, A. (2018). The Public Relations Strategic Toolkit. Second Edition. London/New York: Routledge. 
  • Zerfass, A., Moreno, A., Tench, R., Verčič, D. & Verhoeven, P. (2017). European Communication Monitor 2017: EACD/EUPRERA. Quadriga Media Berlin
  • Wiesenberg, M., Zerfass, A. & Moreno, A. (2017). Big Data and Automation in Strategic Communication. International Journal of Strategic Communication11(2), S. 95–114.

Von Pascal Künzli

Aus Zürich, schreibt über Automatisierung, Unternehmenskommunikation, PR und Branding.

4 Antworten auf „Diese Tätigkeiten in der Unternehmenskommunikation lassen sich (schon heute) automatisieren“

Hallo Pascal, Dein Blog leistet sicher einen wertvollen Beitrag zur vermehrten Verwendung von Automatisierung. Auch ich habe während meinen Recherchen zur Masterarbeit kaum Fallbeispiele oder fundierte Literatur zu diesem Thema gefunden. Ich frage mich nur, warum Du Deinen Blog PR Automation nennst? Greift das nicht zu kurz und verpasst die strategische Komponente der Unternehmenskommunikation? Wie wäre es mit Automation in Communications? Viele Grüsse, Dagmar

Liebe Dagmar, danke vielmals für deinen Kommentar. Schön dich hier zu treffen 🙂 Ich finde auch, es gibt aktuell noch wenig Überblick zum Thema. Mein Ziel ist es, künftig auch hier auf dem Blog dazu beizutragen, die Entwicklung etwas sichtbarer zu machen. Dein Input mit dem Namen nehme ich gerne auf. PR Automation grenzt sich klar von Marketing Automation ab, was ein Argument für den Namen war. Aber wie PR genau definiert wird, da gehen die Meinungen und Ansichten ja teilweise weit auseinander. Für mich beinhalten Public Relations durchaus auch strategische Komponenten, von daher kann ich gut damit leben. Aber wer weiss 🙂 Ich hoffe, du besuchst den Blog bald wieder. Ich freue mich auf deine Inputs 🙂 Liebe Grüsse, Pascal

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