Kategorien
Big Data

Big Data, das Paradies für die Unternehmenskommunikation

Durch den Einsatz von Big Data wird die Kommunikation genauer, effizienter, schneller und relevanter. In der Praxis der Unternehmenskommunikation hat Big Data jedoch nach wie vor Exoten-Status.

Big Data ist neben künstlicher Intelligenz und viel Computer-Power einer der wichtigsten Treiber von Automatisierung in der Unternehmenskommunikation. Daten und Datenanalysen revolutionieren das Feld der Kommunikation grundlegend. Ob bei Stakeholder-Analysen, bei der Früherkennung von Krisen, in der Echtzeit-Beobachtung von Diskussionen auf Online-Plattformen oder in der direkten Kommunikation zwischen Marke und Kunde. Durch den Einsatz von Big Data wird die Kommunikation genauer, effizienter, schneller und relevanter.

Big Data macht die Unternehmenskommunikation genauer, effizienter, schneller und relevanter.

Soweit die Theorie. In der Praxis hat sich der systematische Einsatz von Big Data erst in wenigen Kommunikationsabteilungen durchgesetzt. Das zeigen diverse Umfragen unter Kommunikations-Profis. Doch dazu später im Artikel mehr. Zuerst möchte ich die Frage klären, was unter dem Begriff «Big Data» eigentlich genau verstanden wird.

Was bedeutet Big Data?

Heute wird Big Data häufig mit den vier englischsprachen Vs definiert: Volume, Velocity, Variety und Value. Volume beschreibt das hohe Volumen der Daten, das je nach Unternehmen von Terabytes bis zu hunderten von Petabytes reichen kann. Mit Velocity ist die Geschwindigkeit der Datenströme gemeint, die Unternehmen pausenlos erhalten. Mit Variety sind die unterschiedlichsten Datenformate wie beispielsweise Bilder, Videos oder Texte gemeint, die strukturierte, unstrukturierte oder teilstrukturierte Informationen enthalten können. Mit Value ist der intrinsische Wert der Daten gemeint, die Wahrhaftigkeit und die begrenzte Zuverlässigkeit der Daten. Die vier Vs werden in der Literatur leicht unterschiedlich beschrieben. Die Aussage bleibt im Wesentlichen aber gleich. Wiesenberg und Zerfass definieren die vier Vs folgendermassen:

«Big data denotes huge volumes and streams of different forms of data from diverse internal and external sources and their constant processing.»

Markus Wiesenberg & Ansgar Zerfaß

Big Data bedeutet also das konstante Verarbeiten von hohen Datenmengen und vielen Datenströmen mit unterschiedlichen Datenformaten und Datenstrukturen aus internen und externen Quellen.

Datenquellen für Big Data Analysen

Big Data speist sich aus einer Vielzahl von Datenquellen. Die Datenströme können in interne, externe und geteilte (shared) Datenströme unterschieden werden.

  • Interne Datenströme: Dies sind beispielsweise Daten aus Kanälen wie der Website, Blogs, Pressemitteilungen, Content-Plattformen oder Sozialen Medien (Twitter, Instagram, Facebook). Dazu kommen weitere Daten wie Verkaufszahlen, Daten aus dem Call Center und andere Quellen mit Kundeninformationen.
  • Geteilte Datenströme: Dies sind Daten, welche nicht exklusiv dem Unternehmen zur Verfügung stehen, beispielsweise Daten von Events oder auch Sponsoring-Aktionen.
  • Externe Datenströme: Dies sind Daten beispielsweise von News-Medien, TV, Social-Media-Auswertungen, Umfragen, Studien oder Statistiken.
  • Daten aus Kommunikationsaktivitäten: Darüber hinaus gibt es relevante Datenströme, die auf Basis der Evaluation der eigenen Kommunikationsaktivitäten entstehen (Weiner et al., 2016).

Big Data in der Unternehmenskommunikation

Im Bereich der Unternehmenskommunikation kann Big Data einen erheblichen Einfluss haben. Weiner und Kochhar (2016) nennen es in ihrer Publikation die «Public Relations Big Data Revolution». Big Data wird als das kommende Paradies für Kommunikationsleute beschrieben, die dank den Daten über Zielgruppen ihre Kampagnen zielgenau planen und umsetzen können (fn). Big Data als Mittel zur Entscheidungsfindung kann in bestimmten Situationen der entscheidende Vorteil sein:

«Anyone who … can analyse live Twitter or Facebook streams contextually in real time with the aid of AI systems enjoys a clear advantage in certain communication decisions»

Klewes, Popp und Rost-Hein (2017)

Relevant für die Gewinnung von Informationen ist das Feld der Datenverarbeitung und Auswertung, die sogenannten Big Data Analytics. Ein Technologie-Ansatz hierbei ist Data Mining.

Anwendung von Big Data in der Praxis

Die Anwendungsgebiete von Big Data in der Unternehmenskommunikation sind vielfältig und werden in der Literatur im Detail beschrieben. Zusammengefasst stellt man fest, dass durch die Analyse (Big Data Analytics) und den Einsatz von Daten alle Phasen der Kommunikation effizienter und wirkungsvoller gestaltet werden können. Hier einige Beispiele:

Analyse:

  • Analyse und Erkennung von gesellschaftlichen Trends.
  • Markt und Wettbewerbsanalysen, beispielsweise mittels Share of Voice Analysen
  • Reputationsanalysen.
  • Auswertung von Interessen, Einstellungen, Meinungen, Verhaltensweisen und Informationsbedürfnissen von Stakeholdern beispielsweise mittels Social-Listening-Tools.
  • Echtzeit-Analysen und Monitoring von Online-Kanälen zur Früherkennung von Issues, aber auch zur Erkennung von Chancen und aktuellen Themen.

Strategie:

  • Identifikation von relevanten Zielgruppen: Durch eine Analyse von User content können Opinion Leaders, Themenführer und wichtige Multiplikatoren ausfindig gemacht und in die Strategie miteingebunden werden.
  • Identifikation von relevanten Themen: Mittels Themenanalysen kann herausgefiltert werden, welche Themen bei welchen Anspruchsgruppen besonders relevant oder irrelevant sind. Aus diese Weise können Unternehmen eine Themenstrategie entwickeln, die sie inhaltlich klar positioniert und gegenüber den Mitbewerbern differenziert.
  • Identifikation der relevanten Kanäle, Mittel- und Massnahmen: Mit einer Touchpoint-Analyse kann identifiziert werden, welche Kanälen die Anspruchsgruppen verwenden und welche geringe Relevanz haben. Das Verständnis über den tatsächlichen Customer Journey der Kunden kann mit einer Zielgruppenanalyse sowie einer Mediennutzungsanalyse erweitert werden. Auf dieser Datenbasis können Instrumente präzis auf die Bedürfnisse, Interessen und Verhaltensweisen der Zielgruppen entwickelt werden.

Umsetzung:

  • Durch Echtzeit-Analysen kann die Wirkung der Kommunikationsmittel unmittelbar überprüft und überwacht werden.
  • Mittels einer umfassenden Datenbasis können Kommunikationsmittel abgestimmt auf die vorhandenen Daten zu Interessen, Bedürfnisse und Wünsche von Individuen personalisiert und damit relevant ausgespielt werden. Das bedeutet, dass beispielsweise der Inhalt in einem Kundennewsletter für alle 10‘000 Empfänger anders zusammengestellt wird.

Evaluation:

  • Schnelle und effektive Auswertung von Kommunikationsaktivitäten.
  • Echtzeit-Analyse, wie Stakeholder bestimmte Themen auffassen, aufnehmen und weiterverbreiten.

Big Data Powerhouse

Big Data ist dann besonders effektiv, wenn möglichst viele relevante Datenströme zusammengefasst und gemeinsam ausgewertet werden. Beispielsweise wenn Daten aus CRM-Systemen mit Social Media Daten und Mediennutzungsdaten abgeglichen werden. Durch den Einsatz des oben erwähnten Data Minings und künstlicher Intelligenz können aus solchen Datenclustern neue Muster und Zusammenhänge entdeckt werden, die kommunikativ aber auch betriebswirtschaftlich zu einem Wettbewerbsvorteil führen können.

Verbreitung von Big Data in der Unternehmenskommunikation

In der Praxis, so legen diverse Studien nahe, spielt Big Data im Bereich der Unternehmenskommunikation noch keine grosse Rolle. Eine Umfrage mit 2’710 Kommunikationsleuten aus Europa hat ergeben, dass trotz der breiten Debatte über Big Data nicht alle Kommunikationsleute sich mit der Thematik auseinandersetzen. «Nur» 44.4 Prozent der Befragten verfolgen das Thema Big Data mit Interesse (Wiesenberg et al., 2017). Ebenfalls nur rund 22 Prozent der Befragten haben ein professionelleres Verständnis von Big Data. Und 21.2 Prozent gaben an, bereits Big-Data-Anwendungen implementiert zu haben. Von den Befragten aus der Schweiz gaben nur 14.8 Prozent an, Big-Data-Anwendungen zu betreiben. Interessanterweise gaben demgegenüber in dieser Studie 72.3 Prozent an, dass Big Data den Beruf von Kommunikationsleuten verändern wird.

Einerseits wird also Big Data als bedeutend eingestuft mit Auswirkungen auf den eigenen Beruf, entsprechendes Wissen ist aber nicht vorhanden und auch an Interesse fehlt es. Die grössten Herausforderungen bei der Implementierung von Big-Data-Anwendungen sehen Kommunikationsprofis in dieser Studie im Mangel an den eigenen analytischen Fähigkeiten, so dass sie nichts wirklich Sinnvolles für ihre Arbeit daraus ableiten können (48.6 Prozent).

Big Data

Ist Big Data ethisch vertretbar?

In der Vergangenheit wurde durch einen intransparenten Umgang mit Nutzerdaten viel Vertrauen in und Akzeptanz für eine datenbasierte Kommunikation verspielt (Wiencierz et al., 2017). Deshalb sehen einige Experten die dringende Notwendigkeit, sich auf ethische Leitlinien im Umgang mit Big Data in der Kommunikation zu verständigen. Konkrete Ansätze wurden bereits formuliert (Wiencierz et al., 2017), ein einheitlicher Codex existiert aber nicht. Neben viel Enthusiasmus in der Branche («Why Big Data is the Next Big Thing in PR» und den erwähnten Kräften von Big Data («Irreversible: The Public Relations Big Data Revolution» (Weiner et al., 2016)) gibt es auch kritische Rufe wie «Die PR braucht neue [ethische] Regeln».

Quellen

  • Weiner, M. & Kochhar, S. (2016). Irreversible: The Public Relations Big Data Revolution. Gainesville: IPR Measurement Commission
  • Wiencierz, C., Berger, K., Röttger, U., & Wietholt, C. (2017). Startklar für Big Data. Communication Insights,2017(4), S. 1-41
  • Wiesenberg, M. & Zerfaß, A. (2016). Big Data und Algorithmen: Empirische Studie zum Status quo in Deutschland und Europa. PR Magazin47(9), S. 42–47
  • Wiesenberg, M., Zerfass, A. & Moreno, A. (2017). Big Data and Automation in Strategic Communication. International Journal of Strategic Communication11(2), S. 95–114

Von Pascal Künzli

Aus Zürich, schreibt über Automatisierung, Unternehmenskommunikation, PR und Branding.

Kommentar verfassen